( Brief ) - ( Crew ) - ( Bericht 1999 ) - ( Flötenpädagogik 2000 ) - ( Die Refernten ) - ( Bericht 2000: Boswil lebt ! ) - ( Event 2001 ) - ( Bericht Event 2001 ) - ( Fotos Flöten Forum 2001 ) - ( Moyse TOTAL 2002 ) - ( Fotos Moyse TOTAL 2002 ) - ( Flötenpädagogik 2003 ) - (Flötenpädagogik 2004 ) - ( Flöte Aktuell 2005 ) - ( Cartoons ) - (Interview James Galway) - ( What you always... ) - ( Links ) - ( Kontakt )


"Flöte Aktuell" 7. Flötenevent der New Flute Generation im schweizerischen Boswil

von

Dr. Michael Ross

MRoss

"Eigentlich möchte man es ja hüten, wie ein kleines Geheimnis", spricht eine Kursteilnehmerin zu mir, da ich selbst auch Teilnehmer bin, über das Flötenevent der New Flute Generation (NFG) aus der Schweiz. Sie meint damit,  dass sich, während dieser 2 Tage am Wochenende nach Allerheiligen, in einem immer mehr das Gefühl ausbreitet: Es ist etwas ganz Besonderes Wertvolles, was hier passiert. Ein Ensemble von ca. 70 FlötistInnen, Flötenlehrern, Flötenhandwerkern, FlötenforscherInnen und Liebhabern jeglicher Art kommt in der zum Konzert und Seminarraum umgebauten alten Kirche in Boswil, 30km von ZH entfernt, zusammen, um an Workshops, Meisterkursen, Showcases, Vorträgen und Roundtables rund um die Flöte, teil zu nehmen.  Das Thema des Events ist "Flöte Aktuell". Was es nun unter anderem besonders macht, ist die Verbindung von dem Aktuellen und der Tradition. Boswil ist ein Ort, an dem der legendäre, ja vielleicht bedeutendste Flötenpädagoge Marcel Moyse gewirkt hat. Das Kunststück, das Stefan Keller und Jonas Lindenmann, die Initiatoren NFG vollbracht haben, ist, dass sie immer wieder Vertreter aus dieser Aera gewinnen und hier ausgiebig zu Wort, Ton und Wirken kommen lassen. Da nun die neue Generation aus der älteren erwächst, die Aeltere also ein kompletter Teil der Neuen ist, und es hier stattfinden kann, dass beides: das Vorherige und das Aktuelle so respekt - und liebevoll aufeinander treffen, entsteht daraus ein gewaltiger kreativer Schub. Das spüren hier alle, und das ist es vielleicht auch, was man hüten will wie ein kleines Geheimnis.
Die prominenten Flötenpersönlichkeiten, die heuer vertreten waren, sind Robert Aitken (RA), Nancy Andrew (NA) und Michel Debost (MD). Alle drei verbindet, dass Sie bei Marcel Moyse studierten und zum Teil intensiven Kontakt hatten. Das Highlight und auch die Säule des Events waren die Meisterklassen von Robert Aitken und Michel Debost, die jeweils über 2 Tage gleichmässig verteilt waren. Es begann mit Robert Aitken an einem grauen regnerischen Morgen um 9.30 Uhr. Nach einer herzlichen Begrüssung kommt ein "please get up". Man denkt zuerst an einen "warm up" für müde, weit gereiste Seelen, aber es entpuppt sich immer mehr als ein sehr tiefgehender Atemworkshop. Mit systematisch angeordneten Atemübungen lässt uns Aitken aktiv teil haben an seiner Atemtechnik. Durch Abschnitt weises Ein - und Ausatmen in Stufen, erreichen wir maximale Offenheit des Brustkorbes, und somit optimale Resonanzbedingungen, um den Ton quasi "Vor-zu-singen". Das Ergebnis ist, dass der Ton immer richtig kommt, wenn er innerlich gesungen ist. Er beschliesst die Stunde mit dem Satz "Now, you know, how I play the flute". Für uns Flötistinnen und Flötisten ist dieses Thema immer höchst "aktuell". Es folgt die Meisterklasse mit Werken von Enesco, Debussy und Ibert. Robert Aitken, der bis vor kurzem Prof. für Flöte in Freiburg i.Br. war, bringt es fertig, mit einer unglaublichen Feinfühligkeit und sensiblem Spürsinn an der Musik zu arbeiten, die die Studenten interpretieren. Er vermittelt weit umfassendes Hintergrundwissen über die Werke, ihre Entstehung, Namensgebung, soziokulturelle Deutung und vieles mehr. Er lässt uns Teil haben an seiner ganz persönlichen lebenslangen Forschung vom musikwissenschaftlichem Ausmasse. Immer wieder gibt es lange Zwischenteile, in denen er uns flötentechnische Dinge vermittelt, wie die Intonation aus dem Körper heraus, rhythmische Unabhängigkeit der Finger vom ganzen Körper, oder das Spiel im Raum mit sich selbst in der eigenen Schwingungsphase. Wirklich lauter kleine offene Geheimnisse, aber gleichzeitig grosse Schätze. All das praktiziert er mit den StudentInnen in einer enormen phantasievollen poetischen und humorvollen Weise, begleitet von leidenschaftlichen Gesten mit fast pantomimischer Qualität. Es macht einen wirklich glücklich, das alles mit zu erleben, wenn es sich dann letztlich im Spiel der Studenten beweist. Auf die Frage, worauf es beim Lehren denn hauptsächlich ankommt, antwortet er beim Abendessen am kleinen Tisch: "To learn, how to listen, and how to teach yourself".
Die zweite Masterclass wurde von Michel Debost geleitet. Er ist Professor am Oberlin conservatory. Er war in den 60er Jahren selbst schon als Student von Moyse in Boswil.  Auch hier ein spannender weiter Bogen, gefüllt mit vielen Erfahrungen. Zum Erklingen wurde Ibert, Widor, Jolivet, Chaminade gebracht. Debost überzeugt und fasziniert gleichermassen durch seine direkte und gerade Art, Inhalte zu vermitteln. Dinge werden durch sein tun und seine pure Präsenz klar. Er fordert die StudentInnen heraus, durch Fragen wie "Tell me your idea of this music", oder lässt sie Lichtstimmungen über bestimmte Phrasen beschreiben: Ist es morgens, 12 Uhr mittags oder Sonnenuntergang. Immer wieder heisst es "You have to get involvet in to the music, create inspiration" oder "come out", "zeig mir die Farbe, da muss doch noch etwas sein, hol es raus". Er provoziert die StudentInnen im besten Sinne des Wortes, alles zu geben, da gibt es keine Belanglosigkeit, kein langweiliges Einerlei. Es bleibt immer spannend. Auch er holt immer wieder aus, erklärt Flötentechnisches, spricht über Fingerbalance, Spezialgriffe, eigene Strukturierungsmöglichkeiten von Tonleitern, arbeitet fast wie ein Bildhauer am Studenten wenn es um Haltung geht, rückt ihnen direkt, ohne Ausweichmöglichkeiten zu Leibe, bleibt dabei so vehement beharrlich, dass es zum Ziel, also zum Erfolgt führt. Er bringt immer wieder genau am richtigen Platz Anekdoten aus seinem reichen Flötistenleben, die alles auf zauberhafte Weise noch mal genau beschreiben. Mit seiner herrschaftlichen Erscheinung, seiner tiefen stolzen Stimme, seiner Ernsthaftigkeit und gleichzeitig seiner sanften Warmherzigkeit, seiner Noblesse und seinem unvergleichlichen Charme und Humor, wird er zu einem sehr wertvollen Erlebnis. Ein Zitat seines Vaters: "Culture is, what left, when you have forgotten everything!"
Nancy Andrew war als hochkompetente Moyse Schülerin und Kennerin eine weitere wichtige Position im Event. Sie eröffnete mit einer kleinen Moyse Gesprächsrunde, mit Aitken und Debost, ihren Beitrag. "Neues über Marcel Moyse", Schilderungen über die erste Begegnung mit Moyse, oder wie er als Lehrer und als Mensch war, sozusagen live im Gespräch. Wie sehr er Begeisterung erwecken konnte, wie klar er den Menschen sah, wie er zwischen dem Kopierten und dem Echten unterscheiden konnte, aber manchmal auch das Gegenteil sagte zu dem, was er selber tat. All das wurde ergänzt von Videoaufnahmen seiner Meisterklassen. Ein tiefes einsteigen in den moysschen Unterricht anhand der 24 melodischen Etuden, ausgeführt von 2 Kurtsteilnehmern, begleitet und erklärt von Andrew, wurde uns zuteil. "Take care with the little things, while doing the large" gilt als die grosse Herausforderung dieses Buches und ein wichtiger Teil der flötistischen Grundlagenforschung.
So viele Aussteller wie dieses Jahr waren in Boswil noch nie anzutreffen: Musikhaus Gurtner (CH), Musik Hug (CH), Musikhaus Kubly (CH), Musikhaus Neureiter (A), Parmenon Flutes (FR), Flutelab (NL), Edition Kossack (DE) und Notenpunkt AG (CH).
Zwischen den Meisterklassen fanden die Showcases der Musikhäuser Gurtner und Hug statt. Das Material ist für uns FlötistInnen ein immens wichtiger Faktor, von dem wir abhängig sind. Mit Christoph Gurtner und Markus Haeller, sind im internationalen Vergleich höchst kompetente Meister ihres Fachs am Werk. Herbert Neureiter stellte im Rahmen vom Musikhaus Gurtner seine eigens entwickelten Flötenholzköpfe vor, die in direktem Vergleich von Kursteilnehmern im Ensemble getestet wurden. Eine deutlich vernehmbare bessere Mischung der Klänge, bei gleichzeitig besserer Transparenz, ohne Verlust der Strahlkraft, war das Ergebnis. Der Spieler hört mehr vom Mitspieler, verliert aber nicht an eigener Klangsubstanz.
Markus Haeller, der Leiter der Flötenwerkstatt bei Musik Hug, eröffnete seinen Showcase sehr souverän mit einer offenen Runde, um Fragen aus der "New Generation crowd" zu beantworten. Blitzschnell entfaltete sich eine Diskussion über Neuheiten, Materialdichte von Flötenköpfen, geschichtliche Entwicklung von Firmen und vieles mehr. Sehr anregend im wahrsten Sinne des Wortes.
Eine wirkliche Neuerung im Event war der Roundtable. Man könnte fast sagen, es war wie das Substrat aus all den Stunden der Meisterklassen und Vorträgen. Es wurde philosophiert über die Tradition und die Kultur im allgemeinen. Erinnerungen über Marcel Moyse kamen ins fliessen. "How to play Bach" wurde diskutiert. Dann stand wieder mal der Flötenansatz als Thema im Raum. Man bekam schier eine Gänsehaut, als Robert Aitken wie ein Märchenerzähler uns seine erste Begegnung mit der Musik Bachs in einer Kirche schilderte. Das alleine hatte soviel Kraft, dass wir uns alle wünschten, es ginge noch Stunden und Tage so weiter.
Am Samstagabend fand nach dem intensiven Workshoptag dann das alljährliche Meisterkonzert statt. Es ist schon ein spezielles Erlebnis, eine Art tieferes Eintauchen oder intimeres Hören, das uns da ermöglicht wurde, da wir die Künstler ja vorher schon in ihrer ganzen kreativen Vielfalt tagsüber kennen lernen konnten, und so vielleicht ihre musikalische Sprache noch genauer verstehen. Nancy Andrew begann das Konzert in ihrer ruhigen, souveränen und meditativen Art, mit weit tragendem Ton. Sie brachte Taffanel, Gaubert, Ferroud, Camus, Bart, Marty, Vidal, Pugnot und Duvernoy zu Gehör.
Es folgte Robert Aitken, dessen Virtuosität und Musikalität scheinbar grenzenlos ist, mit Saint-Saens, Andersson und Schubert. Als Endpunkt komplettierte Michel Debost die drei völlig gleichwertigen Höhepunkte sowohl kraftvoll als auch immens geschmeidig und sensibel mit Werken von Demerssman, Debussy, Lalo und Gaubert. Alle drei Künstler wurden während des Konzertes und auch bei den Meisterklassen von dem, in seiner einfühlsamen Art unvergleichlichen Michael Baumann kongenial am Flügel begleitet. Am Ende des Konzertes antwortete das Publikum mit mächtigem Applaus auf die Musik, die uns allen die Herzen an diesem Abend weit öffnete.
Den Schlusspunkt setzten Stefan Keller und Jonas Lindenmann am Sonntagabend mit einer kleinen Vorschau auf das nächste Jahr. Die NFG veranstaltet vom 3. - 5. November 2006 einen Flötenevent mit dem vielversprechenden Titel: "Neue Musik - Alte Musik". Es konnten Anne la Berge, Robert Dick, Carin Levine und Jos Zwaanenburg als Vertreter der Neuen Musik und Liane Ehlich, Andreas Kröper, Hans Martin Linde und Conrad Steinmann als Spezialisten der Alten Musik gewonnen werden. Spannender kann man es sich nicht vorstellen.
"Wie ein kleines Geheimnis hüten" einerseits, aber auch hinausposaunen in die "Flötenwelt" andererseits, möchte man diese zwei aktuellen Flötentage, die mittlerweile auf einem guten Fundament stehen. Das Fundament ist die Tradition, z.Bsp. in Form des roten Fadens Marcel Moyse. Dies im Blickwinkel, gepaart mit der Neugierde und dem Mut zum Experiment, freuen wir uns auf die nächsten "Generation Events".

 

 

Die Aussteller
Musikhaus Gurtner, Meilen / Musikhaus Kubli, Zürich / Musik Hug, Zürich / Notenpunkt, Zürich & Winterthur / Edition Kossack, D-Rheinfelden / Musik Neureiter, Soell / Flutelab, Holland
Flöten, Flötenkopfstücke, Noten & CDs

( Brief ) - ( Crew ) - ( Bericht 1999 ) - ( Flötenpädagogik 2000 ) - ( Die Refernten ) - ( Bericht 2000: Boswil lebt ! ) - ( Event 2001 ) - ( Bericht Event 2001 ) - ( Fotos Flöten Forum 2001 ) - ( Moyse TOTAL 2002 ) - ( Fotos Moyse TOTAL 2002 ) - ( Flötenpädagogik 2003 ) - (Flötenpädagogik 2004 ) - ( Flöte Aktuell 2005 ) - ( Cartoons ) - (Interview James Galway) - ( What you always... ) - ( Links ) - ( Kontakt )